Sonderumfrage: Jeder zweite Betrieb im Handwerk bildet aus

Ausbildung ist zentraler Hebel gegen Fachkräftemangel

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Kammerbezirk. Die Sicherung des Fachkräftenachwuchses bleibt für das Handwerk ein zentrales Anliegen: Fast jeder zweite Betrieb begegnet dem Fachkräftemangel mit einer aktiven Ausbildungsstrategie. Besonders bei der Gewinnung neuer Auszubildender setzen die Unternehmen auf bewährte Maßnahmen wie Praktika und die Zusicherung einer späteren Übernahme. Die Rekrutierung von Auszubildenden aus dem Ausland spielt hingegen bislang nur eine untergeordnete Rolle. Gleichzeitig stehen die Ausbildungsbetriebe vor Herausforderungen: In den vergangenen drei Jahren musste mehr als ein Drittel von ihnen mindestens einen Ausbildungsvertrag vorzeitig auflösen. Das hat eine Sonderumfrage zur Ausbildungssituation im Handwerk rund 580 Handwerksbetrieben im Kammerbezirk Dortmund ergeben, die parallel zur Konjunkturumfrage der Handwerkskammer (HWK) Dortmund im Herbst 2025 durchgeführt wurde.

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„Eine hochwertige Ausbildung bildet das Fundament für die Zukunft des Handwerks. Ohne engagierte und qualifizierte Nachwuchskräfte können viele Betriebe langfristig nicht bestehen. Die Ausbildung sichert nicht nur die Wettbewerbsfähigkeit der Unternehmen, sondern eröffnet jungen Menschen vielfältige Perspektiven, Stabilität und echte Entwicklungschancen“, sagt Olesja Mouelhi-Ort, Geschäftsführerin für Gewerbeförderung, Berufsbildungspolitik und Kommunikation.
„Junge Talente bringen frische Impulse und aktuelles technisches Wissen in die Betriebe ein. Gleichzeitig bleibt durch die Ausbildung das wertvolle handwerkliche Know-how erhalten und wird an die nächste Generation weitergegeben. Handwerksbetriebe, die sich für die Ausbildung engagieren, schaffen damit die Basis für erfolgreiche Berufswege und stärken das Handwerk als wichtigen Motor der Wirtschaft. Sie übernehmen eine bedeutende gesellschaftliche Verantwortung, indem sie Integration fördern und die Entwicklung junger Menschen aktiv begleiten.“

Jeder zweite Betrieb bildet aus

Die Ergebnisse der Sonderumfrage zeigen, dass 46 Prozent der befragten Betriebe derzeit ausbilden. Im Schnitt werden in diesen Unternehmen 2,6 Auszubildende pro Betrieb beschäftigt. Von den 54 Prozent, die aktuell keine Ausbildung anbieten, nannten 36 Prozent fehlende betriebliche Voraussetzungen und das Ausbleiben (geeigneter) Bewerberinnen und Bewerber als Hauptgründe. Weitere Hindernisse sind eine wirtschaftlich unsichere Lage (26 Prozent), der hohe Kosten- und Zeitaufwand (24 Prozent) sowie Altersgründe, die bei 21 Prozent gegen die Ausbildung sprechen. Bemerkenswert ist, dass 37 Prozent der ausbildenden Betriebe sogar über den eigenen Bedarf hinaus Nachwuchskräfte qualifizieren.

Schulen spielen zentrale Rolle bei Ausbildungsbedingungen

Für 71 Prozent der Betriebe ist eine stärkere Berufsorientierung an den Schulen der wichtigste Ansatzpunkt, um die Rahmenbedingungen für die Ausbildung zu verbessern. An zweiter Stelle steht für 47 Prozent die Wiedereinführung des Werkunterrichts an allgemeinbildenden Schulen. Zudem sprechen sich 34 Prozent der Betriebe für flexiblere Teilnahmeformen am Berufsschulunterricht aus, beispielsweise durch Distanzunterricht oder kleinere Lerngruppen.

Bewährte Wege bei der Nachwuchsgewinnung

Bei der Suche nach neuen Auszubildenden setzen 60 Prozent der Betriebe auf klassische Maßnahmen wie Praktika oder Ferienjobs. Ebenso verbreitet ist das Angebot einer Übernahmegarantie nach erfolgreichem Abschluss der Ausbildung, das von 42 Prozent der Betriebe genutzt wird. Mehr als jeder vierte Betrieb nutzt inzwischen auch moderne Rekrutierungskanäle wie Social Media, Lehrstellenbörsen (28 Prozent) oder bietet zusätzliche Anreize neben der regulären Ausbildungsvergütung an, etwa in Form von Tankgutscheinen oder einem Mobiltelefon (27 Prozent).

Rekrutierung im Ausland bleibt Ausnahme

Lediglich vier Prozent der befragten Handwerksbetriebe haben in den vergangenen Jahren gezielt Auszubildende aus dem Ausland gewonnen. Bei der Frage nach den wichtigsten Herkunftsregionen wurden vor allem Asien (zwölf Betriebe), gefolgt von EU-Ländern (acht Betriebe) und Afrika (vier Betriebe) genannt. Zwölf der 21 auslandsaktiven Betriebe fanden geeignete Kandidaten über eigene Kontakte und Initiativen, neun nutzten private Vermittlungsagenturen und sieben griffen auf Programme der Agentur für Arbeit zurück. Als größte Herausforderung im Rekrutierungsprozess wurden von 17 Betrieben die Sprachkenntnisse genannt.

Verträge werden häufig vorzeitig gelöst

In den vergangenen drei Jahren kam es bei 35 Prozent der befragten Handwerksbetriebe zu vorzeitigen Auflösungen von Ausbildungsverträgen. Als Hauptgründe nannten die Betriebe vor allem fehlende Motivation oder mangelndes Interesse der Auszubildenden (81 Prozent), gefolgt von Leistungsproblemen in der Berufsschule (44 Prozent), einer falschen Berufswahl (41 Prozent) sowie persönlichen oder familiären Schwierigkeiten (29 Prozent). In 18 Prozent der Fälle führten Konflikte im Betrieb zur Vertragsauflösung, zwölf Prozent berichteten von plötzlichem Kontaktabbruch („Ghosting“) und bei zehn Prozent spielten unzureichende Sprachkenntnisse eine Rolle.

Betriebe wünschen sich mehr Unterstützung

Um vorzeitige Vertragsauflösungen künftig zu vermeiden, wünschen sich 59 Prozent der Betriebe gezielte Nachhilfe- und Förderangebote für leistungsschwächere Auszubildende. 45 Prozent plädieren für Beratungsangebote bei persönlichen oder sozialen Problemen, während 29 Prozent zusätzliche Coachingangebote für Auszubildende als hilfreich ansehen. Darüber hinaus wünschen sich 27 Prozent mehr Informations- und Schulungsangebote für Ausbilderinnen und Ausbilder, und 26 Prozent sehen in psychosozialer Beratung für Auszubildende eine sinnvolle Unterstützung.

Den Konjunkturbericht Herbst 2025 und die Sonderumfrage (Ausbildungssituation im Handwerk) finden Sie unter: