"Von unsichtbar zu unverzichtbar"
Frauen in der Geschichte des Handwerks
Eine Broschüre der Handwerkskammer Dortmund zur Geschichte und Gegenwart von Frauen im Handwerk
Die neue Broschüre der HWK Dortmund „Von unsichtbar zu unverzichtbar“ von Leonie Kirstein dokumentiert den oft übersehenen Beitrag von Frauen zum Handwerk – von mittelalterlichen Zünften bis zur Meisterprüfung heute. Mit historischen Hintergründen, Porträts starker Persönlichkeiten und aktuellen Zahlen ist sie ein wertvoller Beitrag zur Berufs- und Gleichstellungsgeschichte.
Inhalte
Grußworte

Heute arbeiten Frauen in allen Berufen, auch in allen Handwerksberufen, und führen im Handwerk erfolgreiche Unternehmen. Aber die Geschlechterstatistik zeigt noch immer ein Ungleichgewicht mit vermeintlichen „Frauenberufen“. Wenn nun langsam der Anteil an weiblichen Azubis, Angestellten und Unternehmerinnen auch in den Gewerken mit Männerüberschuss steigt, ist das also eine Entwicklung, die es voranzutreiben gilt. Als Landesregierung unterstützen wir einen wachsenden Frauenanteil im Handwerk und fördern zum Beispiel Meisterinnen mit einer erhöhten Meistergründungsprämie, wenn sie Unternehmen in Gewerken gründen, in denen Frauen deutlich unterrepräsentiert sind. Wo Frauen ihre Fähigkeiten entfalten, wo sie gleichberechtigt ihre wertvollen Beiträge in der Wirtschaft und im Handwerk leisten können, da profitieren alle. Gleichstellungspolitik ist daher auch eine Form der Wirtschaftsförderung.
Zur Sichtbarkeit von Frauen im Handwerk tragen Kammern, Verbände und die „UnternehmerFrauen im Handwerk“ entscheidend bei. Auf dem weiteren Weg, das schon lange nicht mehr Neue zum Selbstverständlichen zu machen, wünsche ich allen Aktiven viel Erfolg. Allen Handwerkerinnen gilt meine große Anerkennung. Sie sind schlichtweg unverzichtbar. Und das sollte künftig nur noch mit einem „Na klar, was denn sonst?!“ verbunden werden.
Mona Neubaur
Stellvertretende Ministerpräsidentin und Wirtschaftsministerin des Landes NRW

Wenn wir heute über erfolgreiche Frauen im Handwerk sprechen, dann erkennen wir nichts Neues. Wir sind mit dem Erkennen eigentlich nur spät dran. Denn dass Frauen Handwerk können und gemeinsam ihre Zeit prägen, zeigen zahlreiche historische Beispiele von Frauengemeinschaften. So waren beispielsweise die Beginen in vielen Städten des Mittelalters ein wichtiger Teil des öffentlichen Lebens, sie waren in der Pflege und in Heilberufen tätig und vor allem auch als Handwerkerinnen. Es gab weibliche Zünfte der Garnmacherinnen, der Goldspinnerinnen und der Seidenweberinnen. Was nicht neu ist, ist noch lange nicht selbstverständlich – noch immer nicht.
Heute arbeiten Frauen in allen Berufen, auch in allen Handwerksberufen, und führen im Handwerk erfolgreiche Unternehmen. Aber die Geschlechterstatistik zeigt noch immer ein Ungleichgewicht mit vermeintlichen „Frauenberufen“. Wenn nun langsam der Anteil an weiblichen Azubis, Angestellten und Unternehmerinnen auch in den Gewerken mit Männerüberschuss steigt, ist das also eine Entwicklung, die es voranzutreiben gilt. Als Landesregierung unterstützen wir einen wachsenden Frauenanteil im Handwerk und fördern zum Beispiel Meisterinnen mit einer erhöhten Meistergründungsprämie, wenn sie Unternehmen in Gewerken gründen, in denen Frauen deutlich unterrepräsentiert sind. Wo Frauen ihre Fähigkeiten entfalten, wo sie gleichberechtigt ihre wertvollen Beiträge in der Wirtschaft und im Handwerk leisten können, da profitieren alle. Gleichstellungspolitik ist daher auch eine Form der Wirtschaftsförderung.
Zur Sichtbarkeit von Frauen im Handwerk tragen Kammern, Verbände und die „UnternehmerFrauen im Handwerk“ entscheidend bei. Auf dem weiteren Weg, das schon lange nicht mehr Neue zum Selbstverständlichen zu machen, wünsche ich allen Aktiven viel Erfolg. Allen Handwerkerinnen gilt meine große Anerkennung. Sie sind schlichtweg unverzichtbar. Und das sollte künftig nur noch mit einem „Na klar, was denn sonst?!“ verbunden werden.
Stellvertretende Ministerpräsidentin und Wirtschaftsministerin des Landes NRW
Dr. Kathrin Baas
Direktorin Stiftung Westfälisches Wirtschaftsarchiv

Ein Blick in die Geschichte des Handwerks zeigt, dass Frauen diese seit jeher mitgeprägt haben. Schon im Mittelalter spielten Frauen eine wichtige Rolle in Zünften und Familienbetrieben. Dennoch ist der Anteil weiblicher Handwerkerinnen immer noch geringer als jener der männlichen Kollegen. Historisch gesehen gibt es dafür folgende Erklärungen: Durch die zunehmende arbeitsökonomische Trennung von Haushalt und Betrieb im Laufe des 16. und 17. Jahrhunderts waren Frauen nicht mehr unmittelbarer Teil des handwerklichen Fertigungsprozesses.
Während weibliche Mitglieder in Zünften während des Mittelalters keine Seltenheit darstellten, konnten sie sich in den Jahren zwischen 1500 und 1800 nur als Meisterwitwen oder in Einzelfällen als Meistertöchter zeitlich begrenzt in die Führung des Handwerksbetriebes mit einbringen. Im 19. Jahrhundert wurden zum ersten Mal unterschiedliche Handwerke als dezidiert weiblich oder männlich betrachtet. So galten die Putzmacherei und das Weißnähen beispielsweise als typisch weiblich. Die Industrialisierung brachte zudem mit sich, dass die Arbeitswelt von einem männlich geprägten Idealbild dominiert wurde. Erst seit der Wende zum 20. Jahrhundert war es Frauen rechtlich gestattet, sich in einem Handwerk ausbilden zu lassen. Ressentiments blieben trotzdem weiterhin bestehen. Eine Schmiedin oder Dachdeckerin gilt bis heute als Besonderheit, obwohl es diese bereits im 16. Jahrhundert gab. Die liberale Politikerin und promovierte Ökonomin Marie-Elisabeth Lüders gründete 1912 den „Verein für handwerksmäßige und fachgewerbliche Ausbildung der Frau“ und setzte sich für die Chancengleichheit von Frauen in der Berufswelt ein.
Heute sind Frauen aus dem Handwerk nicht mehr wegzudenken und in unserer Region finden wir viele Beispiele für Frauen, die den Weg in männlich dominierte Branchen wagten. So veröffentlichte die Handwerkskammer Dortmund im Jahr 1989 eine Broschüre zum Thema „Mädchen in Handwerksberufen“. Vorgestellt werden junge Frauen, die sich als Konditorinnen und Kraftfahrzeugmechanikerin ausbilden ließen. Die vorliegende Broschüre knüpft daran an und zeigt, dass immer mehr Frauen das Handwerk zurückerobern, indem sie mit Klischees brechen und so Impulse für die Zukunft setzen. So steht die Geschichte des Handwerks allgemein für Vielfalt, Kreativität und eine hohe Resilienz – Eigenschaften, die unverzichtbar für die Bewältigung der Herausforderungen der Zukunft sind. In diesem Sinne wünsche ich viel Freude bei der Lektüre mit anregenden Impulsen und (noch) ungewöhnlichen Einblicken.
Dr. Kathrin Baas
Direktorin Stiftung Westfälisches Wirtschaftsarchiv

Eine Spurensuche zwischen Tradition und Gleichstellung

Über die Jahrhunderte hinweg haben Frauen mit Schmiedehammer, Pinsel oder Nähnadel ihre eigenen Spuren in der Welt des Handwerks hinterlassen. Doch während ihre Wege voller Errungenschaften und Entwicklungen waren, wurden sie auch von den Hindernissen der Geschlechterungleichheiten und stereotypen Vorstellungen begleitet. Trotz des Fortschritts der letzten Jahrhunderte stehen Frauen im Handwerk auch heute noch vor Herausforderungen. Stereotype und Vorurteile gegenüber Handwerkerinnen sind noch immer präsent und können den Zugang zu Ausbildungs- und Arbeitsmöglichkeiten erschweren. Historisch bedingte Geschlechterklischees und Rollenverteilungen haben u. a. dazu geführt, dass Frauen in handwerklichen Berufen noch immer unterrepräsentiert sind. Lange galt die Idee des männlichen Familienernährers und der weiblichen Sorgearbeiterin als gesellschaftliches Leitbild. Der Abbau von Stereotypen und die Förderung von Geschlechtergleichstellung sind daher entscheidende Schritte, um Frauen im Handwerk gleiche Chancen zu ermöglichen und ihre Vielfalt an Talenten und Fähigkeiten voll zu nutzen. Ein Blick in die historische Entwicklung der Frauenarbeit im Handwerk erklärt die noch heute männlich geprägte Branche – denn nur, wenn wir die Vergangenheit verstehen, können wir die Zukunft beeinflussen.
Herausforderungen überwinden, Stereotypen brechen
Unterschätzt, gebremst, vorverurteilt: Die Geschichte von Frauen im Handwerk war lange geprägt von patriarchalen Strukturen in Gesellschaft, Politik und Wirtschaft. Trotz zahlreicher Hindernisse setzten sich viele Frauen entschlossen für ihre individuelle Freiheit, berufliche Bildung und ihren Weg im Handwerk ein. Es sind Erzählungen von Mut, Entschlossenheit und der Fähigkeit, in einer von Männern dominierten Arena zu brillieren.
Traditionelle Geschlechterrollen, die von einem „starken Mann“ und einer „schwachen Frau“ ausgehen, beeinflussen seit jeher nicht nur die gesellschaftliche Stellung, sondern auch die beruflichen Werdegänge von Frauen und Mädchen. So wurde es Frauen häufig schon seit der Antike verwehrt, selbstständig ein Handwerk auszuüben, gleichwohl Frauen und Mädchen im Mittelalter oft im väterlichen Betrieb oder im Betrieb des Ehemannes in die handwerklichen Arbeiten eingebunden waren. Zwar hatten Frauen so bereits Zugang zu handwerklichen Berufen, eine gleichwertige Ausbildung oder Aufstiegschancen wie bei ihren männlichen Kollegen blieben ihnen trotzdem verwehrt. Frauen wurden daher auch häufig als „Pfuscherinnen“ verpönt, da sie keine gleichwertige Ausbildung wie Männer vorweisen konnten. Gleichzeitig wurden Frauen von jeglicher öffentlichen Meinungsäußerung und Tätigkeit außerhalb des eigenen Hauses ausgeschlossen.
Doch aus Sorge vor steigender Konkurrenz durch ebendiese Frauen in handwerklichen Berufen wurde zeitweise der Zwang verhängt, einer Zunft beizutreten. Zünfte dienten im Mittelalter der Interessenvertretung von Handwerkern und regelten beispielsweise Preise, Löhne oder Produktionsstandards im Handwerk. Diese Zunftmitgliedschaft sollte so dazu beitragen, die steigende Konkurrenz durch Frauen in handwerklichen Berufen zu kontrollieren und zu begrenzen. Etwa in Soest mussten Näherinnen und Weberinnen den jeweiligen Zünften beitreten. Trotz der daraus resultierenden Zunahme weiblicher Fachkräfte wurden Frauen häufig nicht als selbstständige Handwerkerinnen anerkannt. Der Zugang zu einem eigenen Betrieb war in der Regel auf die Möglichkeit der Erbschaft beschränkt. Diese Einschränkungen für Frauen spiegeln die tief verwurzelten Vorstellungen von traditionellen Geschlechterrollen in verschiedenen historischen Epochen wider.
Trotzdem zeigt die Geschichte, dass immer mehr Frauen eine handwerkliche Tätigkeit ausübten und weibliche Fachkräfte unerlässlich waren. Damals zeichneten sich allerdings bereits sogenannte „Frauenberufe“ ab: Im 14. und 15. Jahrhundert waren Frauen hauptsächlich im Textilhandwerk beschäftigt. In Dortmund sowie im gesamten Ruhrgebiet waren vor allem Woll-, Schleier- und Leinenweberinnen beheimatet. Während im Mittelalter also viele Frauen – wenn auch zu schlechteren Bedingungen als Männer – gewerblich im Handwerk beschäftigt waren, wurden sie seit dem 16. Jahrhundert nach und nach aus dem Handwerk und dem Erwerbsarbeitsmarkt ausgeschlossen. Zünfte, die für die Organisation und Regelung der Handwerksberufe eine wichtige Rolle spielten, standen nur noch Männern offen und schlossen Frauen allmählich vollständig aus. Ende des 17. Jahrhunderts waren Frauen so komplett aus dem zünftigen Handwerk verdrängt. Auch frühere Zeugnisse, etwa Gemälde oder Bilder, die Handwerkerinnen porträtierten, wurden abgeändert oder uminterpretiert und die Arbeit von Frauen im Handwerk so weitestgehend unterschlagen.
Dieser Ausschluss hatte weitreichende Auswirkungen auf die wirtschaftliche Unabhängigkeit von Frauen. Der Zugang zu bestimmten Berufen wurde durch Geschlechterstereotype eingeschränkt, was die finanzielle Selbstständigkeit von Frauen stark beeinflusste. Zwar waren Frauen vor allem in der industriellen Entwicklung vermehrt als Arbeiterinnen tätig, jedoch hatten sie weniger Rechte und geringere Chancen als Männer. Es dauerte viele Jahrhunderte, bis Frauen im Laufe der Emanzipationsbewegungen und sozialen Veränderungen des 19. und 20. Jahrhunderts wieder verstärkt Zugang zu verschiedenen Berufsfeldern erlangten. Gesellschaftlich herrschte trotzdem weiterhin das Leitbild des männlichen Ernährers. Auch im Zuge der Professionalisierung des Handwerks Mitte des 19. Jahrhunderts wurde Frauen vermehrt der Zugang zum Handwerk erschwert: So wurden bestimmte Ausbildungsqualifikationen vorausgesetzt, die Frauen häufig nicht nachweisen konnten, beispielsweise die Pflicht auf einen Meistertitel. Trotz dessen die Zahl der Frauen im Handwerk bis 1933 um etwa 500 Prozent stieg, wurden Frauen oft schlechter ausgebildet und ihre Arbeit wurde geringer vergütet. Bis heute ist die als „Gender Pay Gap“ bekannte Lohnlücke zwischen Männern und Frauen gravierend, nicht nur in Führungsetagen, sondern auch im Handwerk. Zur Zeit des Nationalsozialismus wurden Frauen dann nach ersten emanzipatorischen Erfolgen zu Beginn des Jahrhunderts jedoch wieder in die Rolle der Hausfrau und Mutter gedrängt und die „männliche Tradition“ im Handwerk hervorgehoben. Ein Rollenverständnis, das sich zum Teil bis heute gesellschaftlich fortsetzt. Während des Nationalsozialismus wurde dies zum Beispiel von einer Kampagne gegen das „Doppelverdienertum“ begleitet, die sich gegen die Erwerbstätigkeit von Frauen aussprach, da diese vermeintlich den Männern ihre Arbeit „wegnehmen“ würden. Infolge der Kampagne verloren viele Frauen ihren Arbeitsplatz.
In der Nachkriegszeit ließ sich erkennen, dass Frauen wieder vermehrt in „Männerberufen“ eingesetzt wurden, bedingt durch den Fachkräftemangel nach dem Zweiten Weltkrieg. Für das Jahr 1950 zeigt sich, dass ein Großteil der weiblichen Fachkräfte zwar noch in „typischen Frauenberufen“ – also vor allem im Textilgewerk oder im Friseurhandwerk – beschäftigt war. Gleichzeitig wuchs jedoch die Zahl der Frauen in männerdominierten Gewerken, zum Beispiel Ernährungs-, Bau- oder Metall- bzw. Holzverarbeitungsberufen. Allerdings wurden sie schnell wieder aus dem Gewerbe verdrängt und durch männliche Arbeiter ersetzt, sobald diese wieder verfügbar waren. Ebenso waren die Zahlen der Lehrlinge, Gesellen und Meister zu diesem Zeitpunkt von männlichen Handwerkern dominiert. So zeigt die Geschichte von Frauen im Handwerk, dass die Errungenschaften für Handwerkerinnen keinesfalls linear verliefen, sondern die Hürden der Geschlechterklischees oftmals ihren Weg versperrten.
Pionierinnen des Handwerks
Käthe Geers
Hörgeräteakustikerin und Gründerin Hörgeräte GeersAls Pionierin im Handwerk der Hörgeräteakustik gründete Käthe Geers 1951 das Unternehmen Hörgeräte Geers in Dortmund. Mit ihrer Leidenschaft für die Krankenpflege und einem ausgeprägten sozialen Engagement strebte Käthe Geers danach, die Lebensqualität der Menschen zu verbessern. In den 1950er Jahren, einer Zeit, in der es Frauen gesetzlich noch verwehrt war, Geschäfte unter eigenem Namen zu gründen, setzte sie alles daran, ihr eigenes Einzelhandelsgeschäft auf die Beine zu stellen. Ihre Bewerbung – noch im Namen ihres Mannes – öffnete ihr die Tür zu Werner Wendt, einem Unternehmen, das sich auf technisch-medizinische Produkte wie Hörgeräte spezialisiert hatte. 1951 wagte sie den Schritt, ihr eigenes Unternehmen zu gründen – Hörgeräte Geers. Darauf folgten sowohl viele Filialeröffnungen in Deutschland als auch im Ausland. In Eigenregie eignete sie sich das gesamte medizinisch-technische Grundwissen an, das für den Beruf der Hörgeräteakustikerin entscheidend war. Durch ihre unternehmerische Initiative und ihr Gespür für die soziale Notwendigkeit, die Aufmerksamkeit auf Hörbehinderungen zu lenken, schuf sie ein völlig neues Berufsfeld – die Hörgeräteakustikerin. Mit technischen Innovationen und fortschrittlichen Weiterentwicklungen erarbeitete sich das Unternehmen ein Alleinstellungsmerkmal. International erlangte Hörgeräte Geers dann Bekanntheit durch die Entwicklung der ersten Im-Ohr-Hörgeräte, wofür es 1986 mit dem Innovationspreis der deutschen Wirtschaft ausgezeichnet wurde. Käthe Geers ging als Pionierin des Handwerks über den üblichen Rahmen hinaus, indem sie nicht nur ihre Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in Audiometrie und Ohrdruckabnahme schulte, sondern auch kontinuierlich ihre eigenen Fähigkeiten ausbaute, um ihre Führungsqualitäten zu optimieren. Ihr soziales Engagement und ihre Unterstützung für schwerhörige Menschen wurden 1986 mit dem Bundesverdienstkreuz gewürdigt. Zusätzlich gründete sie 1976 die Stiftung Geers für hörbehinderte Kinder, seit 2017 als Kind-Stiftung bekannt. Käthe Geers hinterlässt nicht nur ein bis heute erfolgreiches Unternehmen, sondern setzt auch ein besonderes Zeichen als Wegbereiterin weiblicher Handwerkskraft.
Elisabeth Treskow
Goldschmiedin und Schöpferin der MeisterschaleGleich zwei männerdominierte Bereiche durchbrach Elisabeth Treskow mit ihrer Arbeit und ihrem Wirken: Als Goldschmiedin war sie in den 1930er Jahren nicht nur eine der ersten Frauen in diesem Handwerk, auch die Welt des Fußballs prägte sie nachhaltig durch die Fertigung der noch heute genutzten „Meisterschale“. Nach ihrer Lehre als Goldschmiedin in München kehrte die gebürtige Bochumerin zurück in ihre Heimatstadt, wo sie ihre eigene Werkstatt gründete. Durch die Auswirkungen der Weltwirtschaftskrise in den späten 1920er Jahren widmete Treskow sich zunächst dem Studium der Granulation, eine besondere Technik im Goldschmiedehandwerk. Mit der Anwendung dieser Technik in der Schmuckfertigung verlieh sie ihren Arbeiten einen besonderen Wiedererkennungswert und revolutionierte so das Goldschmiedehandwerk. Unsterblich wurde Elisabeth Treskow aber wohl durch ihren Auftrag, einen Wanderpokal für den Deutschen Fußball-Bund anzufertigen, noch heute bekannt als „Meisterschale“. Gemeinsam mit ihren Studierenden entwarf die Handwerkerin die elf Kilogramm schwere Silberschale, die alle deutschen Fußballmeister seit dem Jahr 1903 verewigt. Als Frau prägte sie so nicht nur Fußball-, sondern auch Handwerksgeschichte. Für ihre Arbeit als Handwerkerin wurde Treskow mit mehreren Preisen ausgezeichnet, unter anderem erhielt sie 1938 als erste Frau den Ehrenring der Gesellschaft für Goldschmiedekunst. Auch ihr pädagogisches Engagement war zu jener Zeit herausragend. Als Leiterin der Klasse für Goldschmiedekunst an den Kölner Werkschulen, eine Vorläuferin der TH Köln, erlangte Elisabeth Treskow hohes Ansehen und wurde 1956 als erste deutsche Goldschmiedin zur Professorin ernannt. Ihr Wirken fand viel Anerkennung, nicht zuletzt durch den persönlichen Kontakt zu ihren Kundinnen und Kunden sowie die Erfüllung individueller Wünsche. 1964 wurde Elisabeth Treskow für „ihre Verdienste um die Goldschmiedekunst“ das Große Bundesverdienstkreuz verliehen. Als eine der renommiertesten Goldschmiedinnen geht Elisabeth Treskow so in die Geschichte ein.
Anna Luise Mahret
Erste Meisterin als Gas- und Wasserinstallateurin in NRWAls erste Meisterin im Bereich Gas- und Wasserinstallation stieß die Hagenerin Anna Luise Mahret auf viel Widerstand: Unterschätzt und vorverurteilt beschwerten sich ihre männlichen Kollegen sogar bei der Handwerkskammer über die Frau im männerdominierten Handwerk. Nachdem Mahret in den 1960er Jahren den Betrieb ihres verstorbenen Vaters übernahm, schlug sie trotz der vielen Vorurteile ihre eigene Laufbahn im Handwerk ein. Ihren eigentlichen Berufswunsch, Sportlehrerin zu werden, gab die Anfang-30-Jährige für die Selbstständigkeit im Handwerk auf. Dafür legte die Hagenerin 1967 als erste Frau in ganz Nordrhein-Westfalen die Prüfung zur Meisterin im Gas- und Wasserinstallateur-Handwerk ab. Fast vier Jahrzehnte führte Mahret den Betrieb, wobei sie 14 bis 16 Stunden am Tag arbeitete und Höhen und Tiefen erlebte. „Schicken Sie uns mal Ihren Mann“, bekam die Meisterin oft zu hören, belehrte die Kunden jedoch schnell eines Besseren.
Ihre schlagfertige Art half Anna Luise Mahret dabei, sich als einzige Frau im Bereich der Gas- und Wasserinstallation einen Namen zu machen. Ihr Werdegang macht deutlich: Frauen im Handwerk wurden oftmals unterschätzt, ihre Leistungen untergraben: „Alle haben gestaunt, dass ich die Meisterprüfung beim ersten Mal geschafft habe.“ Geprägt von Mut, Durchsetzungskraft und Willensstärke steht Anna Luise Mahrets Geschichte stellvertretend für die Herausforderungen, die Frauen im Handwerk bewältigen mussten.
Rebecca Hanf
Leiterin des Fachvereins der SchneiderinnenPhilosophin, Frauenrechtlerin, Handwerkerin: Rebecca Hanf war eine Vordenkerin ihrer Zeit. Mit Beginn des 20. Jahrhunderts engagierte sie sich für die Frauenförderung, insbesondere in ihrer Heimatstadt Witten. Hanf initiierte und arbeitete in der 1906 gegründeten Rechtsschutzstelle für Frauen und Mädchen sowie in der Berufsberatungsstelle des überkonfessionellen und bürgerlichen Vereins Frauenwohl in Witten. In einer Zeit, in der es Frauen noch nicht einmal erlaubt war, wählen zu gehen, gründete und leitete Hanf den Fachverein der Schneiderinnen und wurde beauftragte Vertreterin dieser Berufsgruppe in der Handwerkskammer Dortmund. Obwohl die staatsrechtliche Gleichstellung zu dieser Zeit noch eine Illusion war, übernahm Rebecca Hanf wichtige Funktionen in verschiedenen Vertretungsorganisationen und war so maßgeblich an der Frauenförderung in der Region beteiligt. Als Vertreterin des Schneiderberufes in der Handwerkskammer Dortmund schreibt Rebecca Hanf Geschichte – denn zu dieser Zeit blieb es Frauen rechtlich eigentlich noch verwehrt, ebensolche Positionen zu bekleiden.
Hanf setzte sich mit ihrer Arbeit stets für die Ausbildung und Verbesserung der Arbeitsbedingungen für Frauen ein und hinterließ so eine bessere Arbeitswelt für Frauen und Mädchen. So prägend Rebecca Hanf für die Frauenrechte in Witten war, so jäh fand ihr Leben ein Ende. Als jüdische Frau floh Hanf in den 1930er Jahren zunächst in die Niederlande, wurde während des Nationalsozialismus jedoch in das Konzentrationslager Auschwitz deportiert, wo sie im Jahr 1944 ermordet wurde. Heute erinnert ein Stolperstein vor der Villa Hanf in Witten an die Handwerkerin.
Dorothee Jungeblodt
Einzige und älteste Töpfermeisterin DortmundsSchon seit den 1950er Jahren übte Dorothee Jungeblodt ihr Handwerk als Töpfermeisterin aus. Für ihre langjährige Tätigkeit wurde sie im Jahr 2013 von der Handwerkskammer Dortmund mit dem Diamantenen Meisterbrief geehrt. Nachdem ihre fünf Kinder das Schulalter erreicht hatten, eröffnete sie 1972 ihre eigene Werkstatt in Dortmund-Brünninghausen. Dieser Schritt zeugte von ihrem Mut und ihrer Entschlossenheit, ihre berufliche Leidenschaft mit ihren familiären Verpflichtungen in Einklang zu bringen – eine Herausforderung, der sich viele Frauen im Handwerk stellen mussten.
Dorothee Jungeblodt beherrschte ihr Handwerk mit großer Meisterschaft. Ihr Repertoire reichte von der traditionellen hessischen Bauerntöpferei bis hin zu zeitgenössischer Keramik. Sie experimentierte virtuos mit Ton und Glasuren und schuf so einzigartige Werke. Ihre Arbeiten wurden seit 1974 in zahlreichen Ausstellungen in verschiedenen Städten präsentiert. Neben ihrer handwerklichen Tätigkeit engagierte sich Dorothee Jungeblodt über drei Jahrzehnte lang ehrenamtlich im Besuchskreis der evangelischen Philippus-Kirchengemeinde Dortmund. Bis ins hohe Alter von 88 Jahren besuchte sie regelmäßig alleinstehende Seniorinnen und Senioren. Dieses soziale Engagement unterstreicht ihren Charakter und ihre Verbundenheit mit ihren Mitmenschen. Mit ihrem Tod 2024 geht Dorothee Jungeblodt als wohl älteste und einzige Töpfermeisterin Dortmunds in die handwerkliche Geschichte ein.
Annelise Kretschmer
International bekannte FotografenmeisterinAnnelise Kretschmer war eine herausragende Fotografin und Wegbereiterin moderner Porträtfotografie, die sich als Frau in der männerdominierten Kulturbranche durchsetzte. Geboren in Dortmund als Tochter des Kaufmanns Julius Silberbach, entdeckte sie früh ihre Leidenschaft für Kunst und Fotografie. Nach ihrer Ausbildung an der Kunstgewerbeschule München und einer intensiven Lehrzeit beim Fotografen Franz Fiedler in Dresden eröffnete sie 1929 ihr erstes Fotostudio in ihrer Heimatstadt Dortmund.
Mit ihren avantgardistischen Arbeiten war Kretschmer eine der wenigen Frauen, die an renommierten Ausstellungen wie der „Film und Foto“ (1929) und „Das Lichtbild“ (1930) teilnahmen. Ihre Werke fanden internationale Anerkennung. Die Machtergreifung der Nationalsozialisten bedeutete für Kretschmer jedoch einen schweren Einschnitt. Aufgrund ihrer jüdischen Herkunft wurde sie 1933 aus der Gesellschaft Deutscher Lichtbildner ausgeschlossen, was ihre Karriere stark beeinträchtigte. Dennoch blieb sie ihrer Arbeit treu, machte im Jahr 1936 ihren Meister in Dortmund, arbeitete als Ausbilderin und eröffnete nach dem Zweiten Weltkrieg ihr Atelier in ihrer Heimatstadt erneut. Ihr Schaffen prägte die deutsche Fotografie des 20. Jahrhunderts nachhaltig. Als Mitglied der Arbeitsgemeinschaft Gestaltendes Handwerk NRW setzte sie Maßstäbe in Technik und Ästhetik. Ihr Werk wurde durch Ausstellungen, u. a. im Museum Folkwang Essen, gewürdigt und bleibt eine Inspiration für Frauen im Handwerk. Heute erinnert die Annelise-Kretschmer-Straße in Dortmund an diese bedeutende Pionierin des Handwerks.
Gesetzgebungen, Entwicklungen und Meilensteine
Modifizierung der Preußischen Gewerbeordnung
Frauen wurden durch die Preußische Gewerbeordnung als selbstständige Gewerbetreibende vollständig aus dem Handwerk ausgeschlossen.

Neues Preußisches Vereinsgesetz
Das neue preußische Vereinsgesetz schränkt das Versammlungs- und Vereinsrecht weiter ein: Es untersagte Frauen, Schülern und Lehrlingen die Mitgliedschaft in Vereinen. Auch durften sie nicht an politischen Versammlungen teilnehmen.
Handwerkergesetz & Handwerkerschutzgesetz
Das Handwerkergesetz legte den Grundstein für die Gründung der Handwerkskammern. Ab 1900 folgten daraufhin viele Kammergründungen. Auch die HWK Dortmund gründete sich im Zuge des Gesetzes im selben Jahr. Gleichzeitig führte das Handwerkerschutzgesetz jedoch neue Regularien zum Lehrlingswesen und der Begrenzung des Personenkreises potenzieller Ausbilder ein, was die Erwerbschancen für Frauen im Handwerk minimierte. Solche Arbeitsschutzgesetze implizierten und verstärkten so geschlechtsbezogene soziale Funktionszuweisungen.
Vereinsfreiheit für Frauen
Noch bis Ende des 19. / Anfang des 20. Jahrhunderts war es Frauen in Deutschland verboten, politischen Vereinen beizutreten. Sie durften laut dem preußischen Vereinsgesetz von 1850 weder Versammlungen noch Sitzungen besuchen. So war es Frauen lange verwehrt, ihre (politischen) Interessen auch öffentlich zu vertreten, was zum Beispiel auch für Gewerkschaften galt. Am 15. Mai 1908 trat das Reichsvereinsgesetz in Kraft – ein bedeutender Schritt für die Gleichberechtigung der Frauen in Deutschland, da sie sich von nun an auch gewerkschaftlich organisieren durften.

Gründung des Vereins "für handwerksmäßige und fachgewerbliche Ausbildung der Frau"
Die Ökonomin Marie-Elisabeth Lüders gründete den „Verein für handwerksmäßige und fachgewerbliche Ausbildung“ im Jahr 1912, um sich so für mehr Chancengleichheit für Frauen in der Berufswelt und vor allem im Handwerk einzusetzen.

Frauen erstmals für Meisterkurse in der HWK Dortmund zugelassen
Anfang des 20. Jahrhunderts entwickelten sich die ersten Gleichstellungsrechte für Frauen und die ersten Handwerkerinnen setzten sich für ihr Recht auf berufliche Bildung im Handwerk ein. Nach den Handwerker-Frauen-Versammlungen im Kammerbezirk wurden Frauen in der HWK Dortmund erstmals zu Meisterkursen zugelassen. Im selben Jahr absolvierte dann erstmals eine Frau die Prüfung zur Tischlermeisterin. 1919 folgte die erste Friseurmeisterin im Kammerbezirk Dortmund.
Frauen erhalten das Stimmrecht in den Handwerkskammern
Im Jahr 1911 wies der Minister für Handel und Gewerbe in einem Erlass darauf hin, dass zwischen Männern und Frauen bei der Ausübung eines Gewerbebetriebes kein Unterschied bestehen und für männliche wie weibliche Lehrlinge dieselben Ausbildungsvorschriften gelten sollten. Jedoch erhielten Frauen erst 1922 das Stimm- und Vertretungsrecht in den Handwerkskammern und damit vollständige Anerkennung als eigenständige Handwerkerinnen.
Arbeitszeitordnung
In der Nachkriegszeit wurden Frauen häufig als „Reservearmee“ in Industrie und Handwerk eingesetzt, um die Arbeit der Männer zu übernehmen, die im Krieg gefallen oder nicht mehr in der Lage waren zu arbeiten. Durch den unzureichenden Schutz weiblicher Arbeiterinnen wurden Frauen jedoch schnell aus den Gewerken verdrängt, sobald Männer diese Arbeiten wieder übernehmen konnten. Dies führte mit der Arbeitszeitverordnung aus dem Jahr 1938 zu einem offiziellen Verbot für Frauen, im Baugewerbe tätig zu sein.
Mutterschutzgesetz
1952 wurde erstmals das Gesetz zum Mutterschutz eingeführt. Fortan konnten Frauen sechs Wochen vor und nach der Geburt zuhause bleiben. Frauen durften während der Schwangerschaft außerdem keine schwere körperliche Arbeit sowie Nacht- oder Akkordarbeit verrichten. Darüber hinaus galt ab sofort ein Kündigungsschutz bis vier Monate nach der Geburt. Während dieser Zeitraum zuvor unvergütet blieb, erhielten Frauen ab dem Zeitpunkt volle Bezüge auch während des Mutterschutzes.
Gleichberechtigungsgesetz
Die gesellschaftlichen Verhältnisse der Bundesrepublik basierten in der Nachkriegszeit auf den patriarchalen Strukturen des Bürgerlichen Gesetzbuches, das den Mann rechtlich zum „Familienoberhaupt“ erklärte und die Frau alleinig zur Hausfrau und Mutter „degradierte“. Der Ehemann hatte das Recht, über das Dienstverhältnis seiner Frau zu entscheiden und konnte sogar für sie ihren Beruf kündigen. Mit dem Gleichberechtigungsgesetz kam erste Bewegung in diese starren rechtlichen Verordnungen. Bislang durfte eine Frau ohne Zustimmung des Mannes überhaupt nicht arbeiten gehen, nun konnte sie sich zwar dem Willen ihres Mannes widersetzen, jedoch nur solange sie ihren „ehelichen und familiären Pflichten“ weiterhin nachkam.
Gesetz zur Reform des Ehe- und Familienrechts
Erst mit dem Gesetz zur Reform des Ehe- und Familienrechts im Jahr 1977 wurden die gesetzlich vorgeschriebenen Aufgabenverteilungen in der Ehe aufgehoben. Die sogenannte Hausfrauenehe wich dem partnerschaftlichen Prinzip. Frauen konnten fortan rechtlich selbst entscheiden, ob sie arbeiten gehen oder nicht.
Beschäftigungsverbot für Frauen im Bauhauptgewerbe endet
Noch bis 1994 war es Frauen in Deutschland aufgrund eines Beschäftigungsverbots nicht erlaubt, im Bauhauptgewerbe zu arbeiten. Dieses Verbot geht auf die Gewerbeordnung von 1878 zurück und diente zunächst dem Schutz von Frauen vor schwerer körperlicher Arbeit. Zur Zeit des Nationalsozialismus wurde daraus jedoch ein komplettes Beschäftigungsverbot. Während dieses nach dem Zweiten Weltkrieg in der DDR nicht fortbestand, wurde es in Westdeutschland erst nach der Wiedervereinigung aufgehoben.
Erste Frau an der Spitze der Handwerkskammer Dortmund
Mit Angelika Weies wurde erstmals eine Frau in die Geschäftsführung der Handwerkskammer Dortmund gewählt.
Das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz
Mit dem Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz setzte Deutschland vier Gleichbehandlungsrichtlinien der EU um, die Diskriminierung und Benachteiligung in Gesellschaft und Berufsleben verhindern sollen. Dafür werden zentrale Maßnahmen und Pflichten vorgeschrieben, um Benachteiligungen abzuwehren. Die Antidiskriminierungsmerkmale beziehen sich dabei auf die ethnische Herkunft, das Geschlecht, die Religion oder Weltanschauung, eine Behinderung, das Alter und die sexuelle Identität.
Entgelttransparenzgesetz
Mit dem Entgeltgleichheitsgebot sollte die gleiche Entlohnung von Männern und Frauen zwar bereits gewährleistet sein, jedoch lässt sich weiterhin eine deutliche Lohnlücke – die „Gender Pay Gap“ – zwischen Männern und Frauen erkennen. Aufgrund dessen trat 2017 das Gesetz zur Förderung der Entgelttransparenz in Kraft. Das Gesetz umfasst hauptsächlich einen individuellen Auskunftsanspruch für Beschäftigte, die Aufforderung von Arbeitgebern zur Durchführung betrieblicher Prüfverfahren sowie eine Berichtspflicht zur Gleichstellung und Entgeltgleichheit. 2023 wurde darüber hinaus auf europäischer Ebene die Entgelttransparenz-Richtlinie angenommen, die bis 2026 in nationales Recht umgesetzt werden muss und die Rechte von Arbeitnehmerinnen und Bewerberinnen weiter stärkt.
Gesetz zur Neuregelung des Mutterschutzes
Nach über 60 Jahren wurde das seitdem unveränderte Mutterschutzgesetz komplett reformiert. Die Reform trug vor allem dazu bei, das Mutterschutzrecht diskriminierungsfreier zu gestalten und mehr Mütter mit einzubeziehen. Bisher galt das Gesetz nur für Frauen, die in einem Arbeitsverhältnis stehen oder Heimarbeit ausführen. 2018 wird der Personenkreis so ausgeweitet, dass auch Frauen in unterschiedlichen Vertragskonstellationen mit Arbeitgebern, Auftraggebern, aber auch zu Institutionen berücksichtigt werden. Außerdem werden die Regelungen für Mütter mit behinderten Kindern oder Personen, die eine Fehlgeburt erlitten, ausgeweitet. Weiter werden Beschäftigungsverbote aus dem 1952 eingeführten Gesetz gestrichen. Für Handwerksbetriebe ist vor allem die darin enthaltene Gefährdungsbeurteilung von Bedeutung, wodurch die Belastung der Tätigkeiten für die Schwangere bewertet werden müssen, etwa im Umgang mit Gefahrenstoffen oder schweren Hebetätigkeiten.

Stärkung des Mutterschutzes für Selbstständige
Selbstständige Handwerkerinnen haben keine rechtliche Absicherung während des Mutterschutzes. Tischlermeisterin Johanna Röh setzt sich daher seit ihrer eigenen Schwangerschaft für die Rechte selbstständiger Frauen und Mütter ein, unter anderem mit einer Petition, die bereits über 100.000 Unterstützerinnen und Unterstützer fand. NRW-Wirtschaftsministerin Mona Neubaur kündigte außerdem an, eine Bundesratsinitiative zum Thema Mutterschutz für Selbstständige auf den Weg zu bringen. Auch Niedersachsen erwägt dies inzwischen. Der Westdeutsche Handwerkskammertag (WHKT) stellte in demselben Rahmen sein Positionspapier „Schwangerschaft und Mutterschaft für Unternehmerinnen erleichtern“ vor.
Wie Frauen das Handwerk von heute prägen und revolutionieren
Auch heute ist die Arbeitswelt im Handwerk noch häufig von Vorurteilen und Stereotypen geprägt. Ein möglicher Grund, weshalb weiterhin ein deutlich geringerer Anteil der Erwerbstätigen im Handwerk weiblich ist. Was wir brauchen, sind authentische Vorbilder und inspirierende Idole, die Frauen und Mädchen für den Berufsweg im Handwerk begeistern. Aus diesem Grund hat die Handwerkskammer Dortmund 2022 die Kampagne „Starke Frauen. Starkes Handwerk.“ ins Leben gerufen. Ende 2023 wurde die Kampagne durch die ehemalige Bundesgleichstellungsministerin Lisa Paus ausgezeichnet. Unter dem Motto „Meine Zukunft: Chefin im Handwerk“ würdigte Paus die HWK Dortmund für ihren innovativen und zukunftsweisenden Ansatz zur Förderung von Frauen und Betriebsnachfolgerinnen im Handwerk.

Das Handwerk im Kammerbezirk Dortmund und darüber hinaus hat eine lange Tradition, in der Frauen oft im Hintergrund wirkten, aber dennoch unverzichtbar waren. Heute sehen wir erfreulicherweise einen Wandel: Immer mehr Frauen ergreifen die Initiative, absolvieren Ausbildungen, legen Meisterprüfungen ab und übernehmen auch Betriebsleitungen. Diese Entwicklung ist nicht nur positiv, sondern absolut notwendig für die Zukunft unseres Handwerks. Frauen bringen wertvolle Kompetenzen, neue Perspektiven und frischen Wind in unsere Betriebe. Sie sind entscheidend, um den Fachkräftemangel zu bekämpfen und das Handwerk zukunftsfähig zu machen. Denn Vielfalt und Gleichberechtigung sind nicht nur moralische Werte, sondern auch wirtschaftliche Erfolgsfaktoren. Teams, in denen Frauen und Männer zusammenarbeiten, sind oft kreativer, innovativer und erfolgreicher. Deshalb setzen wir uns als Handwerkskammer Dortmund mit Nachdruck für die Förderung von Frauen im Handwerk ein. Unsere Kampagne ‚Starke Frauen. Starkes Handwerk‘ ist ein wichtiger Baustein dieser Bemühungen. Sie soll junge Frauen für die vielfältigen und spannenden Berufe im Handwerk begeistern, Rollenklischees aufbrechen und Betriebe sensibilisieren, bei der Suche nach Fachkräften verstärkt auf Frauen zu setzen. Konkret bedeutet das: Wir stellen in der Kampagne starke Handwerkerinnen vor, die ihren Weg erfolgreich gegangen sind und als Vorbilder dienen. Wir bieten Informationsveranstaltungen und Beratungen an und unterstützen Betriebe bei der Schaffung attraktiver Arbeitsbedingungen für Frauen. Denn wir sind überzeugt: Starke Frauen machen ein starkes Handwerk aus – und das ist gut für uns alle.
Kerstin Feix
Vizepräsidentin, HWK Dortmund
Von unsichtbar zu unverzichtbar
Die Geschichte des Handwerks ist eng mit der Geschichte der Geschlechterrollen verwoben. Lange Zeit dominierten Männer das Handwerk, doch Frauen spielten seit jeher eine wichtige, wenn auch oft weniger sichtbare Rolle. Die vorliegenden Daten ermöglichen einen Einblick in die Entwicklung des Frauenanteils im Handwerk und beleuchten dabei sowohl historische Kontinuitäten als auch bemerkenswerte Veränderungen.
Der Frauenanteil unter den sozialversicherungspflichtig Beschäftigten im Handwerk liegt derzeit bei etwa 24 Prozent. Betrachtet man die Auszubildenden, so lag der Anteil im Jahr 2023 laut Zentralverband des Deutschen Handwerks (ZDH) bei etwa 14 Prozent. Diese Zahlen spiegeln sich auch für den Bezirk der Handwerkskammer Dortmund wider. Innerhalb des Handwerks gibt es jedoch deutliche Unterschiede zwischen den einzelnen Gewerken. In „traditionell weiblichen“ Berufen wie Friseurin, Kosmetikerin oder Textilgestalterin ist der Frauenanteil nach wie vor sehr hoch. In gewerblich-technischen Berufen wie beispielsweise im Bau-, Metall- oder Elektrobereich sind Frauen hingegen immer noch deutlich unterrepräsentiert. Ein Blick auf die Meisterprüfungen zeigt, dass der Anteil der Frauen, die eine Meisterprüfung ablegen, stetig steigt. Im Jahr 2023 absolvierten laut ZDH fast jede fünfte erfolgreiche Meisterprüfung Frauen. Dies ist ein positives Signal und deutet darauf hin, dass sich Frauen zunehmend in Führungspositionen im Handwerk etablieren. Der Anteil von Frauen in Betriebsleitungen liegt laut ZDH durchschnittlich bei etwa 24,6 Prozent, variiert jedoch stark je nach Gewerbegruppe.
Die Geschichte des Handwerks ist eng mit der Geschichte der Geschlechterrollen verwoben. Lange Zeit dominierten Männer das Handwerk, doch Frauen spielten seit jeher eine wichtige, wenn auch oft weniger sichtbare Rolle. Die vorliegenden Daten ermöglichen einen Einblick in die Entwicklung des Frauenanteils im Handwerk und beleuchten dabei sowohl historische Kontinuitäten als auch bemerkenswerte Veränderungen.
Der Frauenanteil unter den sozialversicherungspflichtig Beschäftigten im Handwerk liegt derzeit bei etwa 24 Prozent. Betrachtet man die Auszubildenden, so lag der Anteil im Jahr 2023 laut Zentralverband des Deutschen Handwerks (ZDH) bei etwa 14 Prozent. Diese Zahlen spiegeln sich auch für den Bezirk der Handwerkskammer Dortmund wider. Innerhalb des Handwerks gibt es jedoch deutliche Unterschiede zwischen den einzelnen Gewerken. In „traditionell weiblichen“ Berufen wie Friseurin, Kosmetikerin oder Textilgestalterin ist der Frauenanteil nach wie vor sehr hoch. In gewerblich-technischen Berufen wie beispielsweise im Bau-, Metall- oder Elektrobereich sind Frauen hingegen immer noch deutlich unterrepräsentiert. Ein Blick auf die Meisterprüfungen zeigt, dass der Anteil der Frauen, die eine Meisterprüfung ablegen, stetig steigt. Im Jahr 2023 absolvierten laut ZDH fast jede fünfte erfolgreiche Meisterprüfung Frauen. Dies ist ein positives Signal und deutet darauf hin, dass sich Frauen zunehmend in Führungspositionen im Handwerk etablieren. Der Anteil von Frauen in Betriebsleitungen liegt laut ZDH durchschnittlich bei etwa 24,6 Prozent, variiert jedoch stark je nach Gewerbegruppe.
Der Frauenanteil im Handwerk ist seit dem 19. Jahrhundert historisch gewachsen, wenn auch langsam. Die aktuellen Zahlen zeigen eine leichte Steigerung im Ausbildungs- und Meisterbereich, jedoch weiterhin eine deutliche Unterrepräsentanz in vielen Gewerken und Führungspositionen. Die Bemühungen um Gleichberechtigung und die Förderung von Frauen im Handwerk tragen langsam Früchte, es besteht aber weiterhin Handlungsbedarf, um stereotype Rollenbilder abzubauen und gleiche Chancen für alle Geschlechter zu schaffen. Zwar gibt es beispielsweise immer mehr Gründerinnen im Handwerk, jedoch stoßen sie oft auf Herausforderungen bei der Finanzierung, der Vereinbarkeit von Familie und Beruf sowie bei der Durchsetzung in traditionell männlich dominierten Bereichen. Obwohl positive Entwicklungen erkennbar sind, bleibt es daher unerlässlich, weiterhin gezielte Maßnahmen zur Förderung von Frauen im Handwerk zu ergreifen, um nachhaltig stereotype Rollenbilder abzubauen und echte Gleichstellung in allen Bereichen des Handwerks zu erreichen. Denn es steht fest: Die steigende Präsenz von Frauen im Handwerk birgt ein enormes Potenzial für die Branche und unterstreicht die Notwendigkeit, diesen positiven Trend durch gezielte Förderung weiter zu stärken und auszubauen.

Quellenverzeichnis
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- Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (2023): Entgelttransparenzgesetz, Berlin.
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- Malin, Lydia/ Hickmann, Helen (2025): Fachkräftemangel in Handwerksberufen: Frauen sind ein wichtiger Teil der Lösung, Kompetenzzentrum Fachkräftesicherung, Berlin.
- ZDH (2023): Frauen im Handwerk, online unter: https://www.zdh.de/ueber-uns/fachbereichsozialesicherung/frauen-im-handwerk/
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