Erfahrungsbericht von Leon Lippert (22)

Wie arbeitet ein Tischler in Spanien, Leon?

Nach meiner Ausbildung zum Tischler wollte ich gerne weitere beruflichen Erfahrungen sammeln und habe mich über ein Auslandspraktikum bei der zuständigen Handwerkskammer informiert. Innerhalb kurzer Zeit war dieses von der Handwerkskammer über das Erasmus Plus Programm organsiert. Ich habe dann mein Praktikum als Tischlergeselle in der Zeit vom 16.10.2023 – 12.01.2024 in der Tischlerei AELE (Amarios Levante) in Beniparell, Valencia in Spanien absolvieren können.

Betreuung vor Ort

Während meines dreimonatigen Praktikums wurde ich vor Ort von der Organisation Mobilitas betreut. Mit meinem Ansprechpartner konnte ich vor meinem Aufenthalt alle Fragen und offenen Punkte klären, wie z.B. die Unterbringung, Verkehrsanbindung, Fragen zur Praktikumsstelle, die Versorgung/ Einkaufsmöglichkeiten vor Ort etc. Die Organisation sorgte für einen passenden Praktikumsplatz und eine gute Unterbringung in einer Wohngemeinschaft in einer zentrumsnahen Wohnung in Valencia.

Während des Praktikums hatte ich immer einen Ansprechpartner bei der Organisation. Es fanden regelmäßige Gespräche, auch mit dem Betrieb, zum Ablauf des Praktikums statt. Die Organisation sorgte u.a. auch für soziale Kontakte, indem sie WhatsApp-Gruppen für die Praktikanten organisieren.

Der Praktikumsalltag

Mein Praktikumsbetrieb hat sich auf die Herstellung und den Einbau von maßgefertigten Schränken, Küchen, Türen und den individuellen Innenausbau spezialisiert. Der Betrieb ist aufgeteilt in die „Fabrica“, welche die Werkstatt und die Büros beinhaltet und zum anderen gibt es die Montage-Teams, welche den Einbau der gefertigten Möbel etc. auf den Baustellen übernehmen.

Bei AELE arbeiten ca. 30 Personen, die die Bereiche der Planung, Fertigung und Montage abdecken.

Während des Praktikums durfte ich in den Bereichen der Montage sowie der Fertigung arbeiten und Erfahrungen sammeln. Den Großteil meiner Arbeitszeit arbeitete ich mit zwei Arbeitskollegen bei der Firma Casas InHAUS, welche modulare Fertighäuser in einer großen Halle herstellt. Dort haben wir in den verschiedenen Häuservarianten den Innenausbau, das heißt, die Montage der individuellen Schränke und Türen vorgenommen.

Darüber hinaus wurde ich als Tischler in Privathaushalten eingesetzt. Ich arbeitete u.a. in einer Eigentumswohnung direkt in der Innenstadt von Valencia. Dort habe ich mit weiteren Mitarbeitern die vorher in der Werkstatt gefertigten Schränke und Türen eingebaut.

Ein weiterer Arbeitsort war ein Architektenbüro, in dem wir eine Bibliothek mit Möbeln eingerichtet haben. Von uns wurden Regale dort aufgebaut und ein Stahlgestell, ein Deckenabschnitt und eine Wand mit einem speziellen Plattenmaterial verkleidet.

In der Fertigung der Firma AELE habe ich an den verschieden Schrankteilen die Verbindungsbeschläge montiert und die Endkontrolle vorgenommen, bevor ich die verschiedenen Möbelstücke verpackt habe.

Ich habe mich während meines Praktikums auch noch mit den folgenden drei Punkten beschäftigt:

Sicherheit am Arbeitsplatz

Getragen werden ausschließlich lange Arbeitshosen, übliche Sicherheitsschuhe und auf den Baustellen werden Helme getragen.  Alle Handwerker sind mit auffällige Shirts in neongelb- oder orange ausgestattet, so dass sie besser wahrgenommen werden. Es wird selten ein Gehörschutz bei Arbeiten mit lauten Maschinen getragen.

Umweltschutz und Nachhaltigkeit im Betrieb

Alle Mitarbeiter sind zu Nachhaltigkeit angehalten; d.h. es wird z.B. bei der Auswahl der zu verbauenden Materialien eine entsprechende Auswahl betroffen. Im Büro wird z.B. auf den Papierverbrauch geachtet, so dass man einem papierlosen Büro näherkommt. Bei den Verpackungsmaterialien wird so viel wie nötig, so wenig wie möglich verwendet. Bei der Müllentsorgung wird ebenso wie in Deutschland auf eine Trennung geachtet: gelb/Plastik, grün/Glas, braun/Restmüll und blau/Papier.

Berufliche Erfahrungen: Unterschiede zu Deutschland

Im täglichen Arbeitsumfeld habe ich viele Fachbegriffe in spanischer Sprache kennengelernt und konnte diese in der Zeit gut anwenden. Meine Arbeitskollegen waren ausschließlich Muttersprachler mit keinen/ wenigen Kenntnissen in deutscher oder englischer Sprache. Die Kommunikation verlief daher zu 90 Prozent in spanischer Sprache.

Der Arbeitsablauf hat sich weitestgehend mit dem in Deutschland gedeckt. Unterschiedlich ist der Umgang mit Maschinen und einigen Werkzeugen. In Deutschland wird z.B. mit dem festen Holz-Zollstock gearbeitet; in Spanien wird mit einem flexiblen Maßband gearbeitet. In meinem Betrieb in Deutschland werden andere, speziellere Maschinen eingesetzt für einzelne Arbeiten; in Spanien gibt es oft Kombi-Maschinen, die nicht speziell für einen Vorgang, sondern vielfältiger eingesetzt werden können. Besonders bei den Montagen kommen diese zum Einsatz.

Abhängig von dem gewünschten Niveau des herzustellenden Möbels ist die Verarbeitung/ Herstellung. Meiner Erfahrung nach, haben Kunden in Deutschland einen sehr hohen Anspruch, in Spanien liegt der Fokus eher auf der Funktionalität. Die Qualitätskontrolle ist daher anders ausgerichtet und prüft die einwandfreie Funktion, die das Möbel haben soll.

Der Türeneinbau ist z.B. unterschiedlich, da in Deutschland andere Normen gelten und der Montagevorgang daher anders geplant werden muss.

Mein Fazit:

Das Praktikum hat mir sehr gut gefallen und ich konnte sehr viel Neues erleben und für die Zukunft mitnehmen. Ich habe viele berufliche Erfahrungen sammeln können, die ich für meine berufliche Zukunft nutzen kann. Insgesamt habe ich mein Ziel erreicht, Erfahrungen in einem anderen Land, sowohl beruflich als auch sozial, zu erwerben. Ich durfte viele neue Leute und die Art und Weise, wie die Menschen in Spanien privat und im Berufsleben miteinander umgehen kennenlernen.

Ich habe ein wunderschönes Land und eine interessante Stadt von einer anderen Seite sehen dürfen. Ich kann es jedem nur ans Herz legen, so eine Erfahrung zu machen; nicht nur, weil man so viel Neues kennenlernen darf, sondern auch, weil man selbst durch solche Erlebnissen wachsen kann. Alleine zu reisen und sich neu privat und beruflich zu orientieren, hat mich selbstständiger und eigenverantwortlicher werden lassen.